Wissenswertes über Psychotherapie

Notfalldienste und Anlaufstellen

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Hier finden Sie eine Übersicht mit Notfallnummern und Anlaufstellen, bei denen Sie sofort Hilfe in Anspruch nehmen können:

-ärztlichen (psychiatrischen) Bereitschaftsdienst (bundesweite) Tel.: 116 117

-Überregionaler (Krisen-)Bereitschaftsdienst aller Regionen 030 /390 63 00

-Sozialpsychiatrischer Dienst (Hilfe und Beratung)

Charlottenburg-Wilmersdorf: (030) 9029-16044

Friedrichshain-Kreuzberg: (030) 90298-8400

Lichtenberg: (030) 90296-7562

Marzahn-Hellersdorf: (030) 90293-3751

Mitte-Standort Tiergarten:( (030) 9018-33347

Mitte-Standort Wedding: (030) 9018-45212

Neukölln: (030) 90239-2786

Pankow: (030) 90295-2863/2891

Spandau: (030) 90279 -2355

Steglitz-Zehlendorf: (030) 90299-4758

Tempelhof-Schöneberg: (030) 90277-7575

Treptow-Köpenik: (030) 90297-6000/ -6001

-Krisendienst:

Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg 
030 390 63-10
 Charlottenburg-Wilmersdorf 
 030 390 63-20
 Spandau 
 030 390 63-30
 Pankow 
 030 390 63-40
 Reinickendorf 
 030 390 63-50
 Steglitz-Zehlendorf, Tempelhof-Schöneberg 
030 390 63-60
 Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf 
 030 390 63-70
 Treptow-Köpenick 
 030 390 63-80
 Neukölln 
 030 390 63-90


 -Telefonseelsorge

anonyme, kostenlose Beratung zu jeder Tages- und
 Nachtzeit unter den bundesweiten Telefonnummern 0800 - 1110111 oder 0800 - 1110222 bzw. www.telefonseelsorge.de

-Kinder- und Jugendtelefon „Nummer gegen Kummer“ www.nummergegenkummer.de
kostenlose Beratung von Mo bis Fr 15.00 bis 19.00 Uhr unter der bundesweiten Telefonnummer: 0800 - 111 0 333

-Krisenchat für Kinder und Jugendliche rund um die Uhr: www.krisenchat.de

 

Sollten Sie allgemeine Informationen zum Thema Psychotherapie suchen, finden Sie diese sehr übersichtlich und detailliert unter www.therapie.de

Wenn Sie Schwierigkeiten haben, einen Therapieplatz zu bekommen, empfehle ich Ihnen, entweder über die Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung unter https://www.kvberlin.de/fuer-patienten/terminservice/kontaktformular-zur-terminvermittlung oder bei Ausbildungs- und Institutsambulanzen (einfach „Ausbildungsinstitute Psychotherapie“ googlen) Anfragen zu stellen.

 

 

 

Störungsbilder

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Störungsbilder in der klinischen Psychologie (Erwachsene)


Schizophrenie 

Für Schizophrenie (oder schizophrene und schizoaffektive Psychosen) sind Störungen im Denken, im Ausdruck von Gefühlen, in der Sprache, in der Sinneswahrnehmung, in der Selbstwahrnehmung oder im motorischen Ausdruck charakteristisch. Welche dieser Aspekte vorhanden sind und ob diese als von außen (außerhalb des/der Betroffenen) oder innen (von Betroffenen selbst) kommend wahrgenommen werden, kann sich individuell stark unterscheiden. Es werden verschiedene Subtypen (Formen) von Schizophrenie unterschieden, je nachdem welche Aspekte der oben genannten Kriterien vorwiegend auftreten. Auch kommen bestimmte Formen von Wahn (z.B. Kontrollwahn), Halluzinationen, sozialer Rückzug oder einige weitere Symptome bei manchen schizophrenen Störungsbildern vor, aber nicht bei allen. Grob unterscheiden lassen sich bei diesem Störungsbild weiterhin sogenannte „Positiv-„ oder „Negativsymptome“. Diese Begriffe meinen nicht etwa eine Wertung in gut und schlecht, sondern meinen produktive (positive) wie z.B. Halluzinationen oder reduktive (negative) Symptome wie z.B. Affektverflachung. Die Behandlung und teilweise auch die Erklärung der Entstehung unterscheidet sich je nach Subtyp. 


Affektive Störungsbilder

Unter diese Kategorie fallen unipolare Depressionen und Manien oder Bipolare affektive Störungen. Charakteristisch sind zeitlich und situativ persistente (anhaltende/andauernde) Gefühlslagen. Bei Depressionen sind dies z.B. Niedergeschlagenheit, Traurigkeit oder innere Leere. Bei Manien sind dies meist Hochgefühle, übersteigertes Selbstbewusstsein und erhöhte Risikobereitschaft. Bei bipolaren Störungen können sich diese „affektiven“ Phasen mehr oder weniger stark abwechseln. 


Angststörungen 

Angststörungen umfassen Störungen, bei denen in ungesunder Art und Weise Angst erlebt wird. Dabei kann es sich um Angstgefühle handeln, die allgemein und ohne konkreten Auslöser oder situativen Kontext empfunden werden oder Angstempfindungen, die nur in bestimmten Situationen (z.B. in engen Räumen) oder bei bestimmten Reizen (z.B. Anblick von Spinnen) auftreten. Angststörungen können in manchen Fällen mit Panik einhergehen; es gibt aber auch eine Panikstörung ohne eine zugrundeliegende Angststörung. Das Entscheidende für die Diagnostik bei Angststörungen ist, dass die empfundene Angst objektiv unbegründet ist. Damit ist gemeint, dass die Betroffenen selbst (in Momenten, wenn gerade keine Angst empfunden wird) oder Mitmenschen um sie herum den Auslöser der Angst als ungefährlich einstufen. 


Zwangsstörungen 

Zur charakteristischen Symptomatik beim Störungsbild der Zwangsstörungen gehören Gedanken, Impulse oder Handlungen, die über einen bestimmten Zeitraum regelmäßig und häufig wiederkehren und die für die Betroffenen eine Belastung darstellen. Unterschieden werden Zwangsstörungen mit vorwiegend vorhandenen Zwangsimpulsen und Zwangsstörungen mit vorwiegend vorhandenen Zwangshandlungen. Es können auch beide Symptome gemischt auftreten. Beispiele für Zwangsstörungen können Waschzwänge, wiederkehrende Gewaltfantasien, Ordnungszwänge oder Wiederholungszwänge sein. Oft werden diese wiederholt auftretenden Gedanken oder Handlungen als störend, unfreiwillig aufdrängend und unsinnig von den Betroffenen empfunden. 


Posttraumatische Belastungsstörung

Dieses Störungsbild beschreibt eine Traumafolgestörung; also eine Verhaltens- und Erlebensweise, die nach einem einmalig oder mehrmalig durchlebten und unzureichend verarbeitetem Trauma auftritt. Typisch für dieses Störungsbild sind z.B. die Unfähigkeit, sich an Details des Trauma-Erlebnisses zu erinnern, das Vermeiden von der traumatischen Situation ähnelnder Umstände, aufdringliche Nachhallerinnerungen (sog. Flashbacks) oder seit dem Trauma-Erlebnis vorhandene, erhöhte psychische Sensitivität, die zu Schlaf- oder Konzentrationsstörungen, Wutausbrüchen, erhöhter Reizbarkeit oder erhöhter Schreckhaftigkeit führen. Auch sogenannte dissoziative Symptome können auftreten.

 

Persönlichkeitsstörungen

Für das Störungsbild der Persönlichkeitsstörungen ist es wichtig zu wissen, dass die Definition dessen, was eine Persönlichkeitsstörung ist und inwiefern überhaupt von einer manifesten (als Zustand der Person vorhanden) Störung der Persönlichkeit gesprochen werden kann, vielfach diskutiert wird. Die Beschreibung soll hier eher dem Verständnis dienen und nicht als festgeschriebenes, starres Störungsbild. 

Allgemein sind Persönlichkeitsstörungen durch ein starres und charakteristisches Reaktionsmuster in sozialen Interaktionen gekennzeichnet. Das bedeutet, dass Betroffene in bestimmten Lebenslagen oder Situationen dazu neigen, im Verhalten und Erleben stark von der sozialen Norm und dem als akzeptabel geltenden Verhalten abzuweichen. Je nach Subtyp (Unterform) der Persönlichkeitsstörung ist dabei eine bestimmte Verhaltensart typisch. Beispielsweise wird Menschen mit einer diagnostizierten histrionischen Persönlichkeitsstörung zugeschrieben, ein starkes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit sowie dramatischer Intensität zu verspüren, welches bei Nichterfüllung zu wesentlichen Beeinträchtigungen der Erlebensweisen (z.B. depressiver Verstimmung) kommen kann. 


Somatisierungsstörungen 

Somatisierungsstörungen beschreiben das Vorhandensein körperlicher Symptome ohne organische Krankheitskorrelate, die psychisch bedingt sind oder sein können. Das bedeutet, dass die Untersuchung auf körperliche (somatische) Ursachen der Symptome durch einen Arzt keinen Aufschluss über die Entstehung der körperlichen Symptome geben konnte, psychische Ursachen jedoch eine Erklärung bieten könnten. Das bedeutet nicht (!), dass die Symptome eingebildet sind. Die Suche nach den auslösenden Faktoren kann unter Einbeziehung psychologischer Aspekte erfolgreich verlaufen, auch wenn es anfangs anders erscheint. 


Essstörungen

Unter die Rubrik Essstörungen fallen momentan Anorexia nervosa, bulimia nervosa und binge-eating-Störungen. Wesentlich für diese Störungsbilder ist, dass Essgewohnheiten zu merklichen Einschränkungen bei den Betroffenen führen. Dabei können die Einschränkungen Aspekte der Gesundheit sowie des Soziallebens oder beides betreffen. Werden wesentliche Teile des Lebens einem bestimmtem Essverhalten untergeordnet, besteht die Möglichkeit, dass Betroffene an einer Essstörung leiden. Beispielsweise kann das sowohl das umgangssprachliche „zwanghafte Kalorienzählen“ sein als auch Fressanfälle oder übermäßig betriebener Sport zur Gewichtskontrolle. Allerdings ist das alleinige Vorhandensein der beispielhaften Ernährungsweisen kein Kriterium für eine Essstörung! 


Suchterkrankungen

Unter diesen Störungsbildern werden psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen zusammengefasst. Also ausschließlich Süchte, die durch Substanzkonsum (mit-) bedingt sind. Andere Formen der Sucht sind unter den Verhaltensstörungen klassifiziert. Unterschieden werden die diversen Störungsbilder durch den aktuellen Einfluss des Substanzkonsums (z.B. akute Intoxikation) und die Art der Substanz (z.B. Alkohol). Hier spielt die Legalität der Substanz keine Rolle. 


Sexuelle Störungen

Unter die sexuellen Störungen fallen alle Beeinträchtigungen, die physiologische oder psychologische Reaktionen auf sexuelle Reize betreffen. Körperliche Ursachen für diese Beeinträchtigungen gehören nicht unter dieses Störungsbild. Unterschieden wird hier die Beeinträchtigung, die im Zentrum des Belastungserlebens steht. 

Burn-out und arbeitsassoziierte Störungen 

Medizinisch gesehen ist Burn-out keine Erkrankung, sondern ein „Risikozustand“ bzw. ein Syndrom. Jedoch kann man im Hinblick auf die typischen Symptome dieses „Risikozustands“ von arbeitsassoziierten Störungen sprechen. Diese Störungen sind charakterisiert durch Symptome wie Distanziertheit, Erschöpfung und Beeinträchtigungen der neurologischen oder sozialen Leistungsfähigkeit. 

 

Diagnostik

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Diagnostik in der Psychotherapie

Für Klient*Innen wird in der Regel eine Psychotherapie nur dann von den Krankenkassen bezahlt, wenn sich Psychotherapeut*Innen an bestimmte Vorgaben halten. Dazu zählt unter anderen zu Beginn jeder Psychotherapie eine diagnostische Abklärung; also eine Diagnose, die am Anfang einer Therapie gestellt werden muss. Je nach Disziplin wird die Diagnosestellung allerdings mehr oder weniger kritisch betrachtet. Während z.B. in Kliniken (in denen oft verhaltenstherapeutisch gearbeitet wird) die Behandlung streng nach bestimmten Störungsbildern (und somit Diagnosen) ausgerichtet ist, versuchen niedergelassene Psychotherapeut*Innen („niedergelassen“ bedeutet in einer eigenen Praxis mit einem Kassensitz) so weit wie möglich die Behandlung an individuellen Gegebenheiten zu orientieren und weniger „pauschal“ an bestimmten Diagnosen. Es ist von bestimmten Verbänden in Deutschland jedoch verpflichtend vorgegeben, zu Beginn jeder von den Krankenkassen bezahlten Psychotherapie eine Diagnose zu stellen und dann nach den sogenannten „Leitlinien“ zu arbeiten. Diese Leitlinien geben die Behandlung von Patienten mit einer bestimmten Diagnose detailliert vor. 

Ich habe zum Thema Diagnosen jedoch einige Anmerkungen, die verdeutlichen sollen, welche alternativen Betrachtungen und Umgangsweisen es mit Diagnosen gibt. Zum besseren Verständnis meiner Anmerkungen habe ich unten das momentan gültige Klassifikationssystem für Diagnosen in Deutschland mit der Betrachtungsweise der systemischen Therapie gegenübergestellt, die ich persönlich wichtig finde und bevorzuge.

 

ICD-10/11

Die sogenannte „International Classification of Diseases“ in der 11. Revision ist ein System, mit dem unter bestimmten Kodierungen Erkrankungen systematisch aufgelistet und charakterisiert sind. Hierzu gehören die Kriterien, unter denen eine bestimmte Diagnose/Erkrankung festgestellt werden kann, die Einordnung in bestimmte Kapitel (also unter welche Art von Erkrankungen eine bestimmte Diagnose fällt) und eine Kodierung anhand verschiedener Ziffern und Buchstaben, die die genaue Erkrankung detailliert beschreibbar macht. Alle Erkrankungen, die von der WHO anerkannt sind, sind im ICD-11 zu finden; also alle körperlichen und psychischen Erkrankungen, die dem aktuellen medizinischen Forschungsstand entsprechen. Hier ist es wichtig zu erwähnen, dass die begriffliche Definition, die Behandlung und die Klassifikation von Erkrankungen auch in Fachbereichen äußerst kontrovers diskutiert wird und die vorhandenen Diagnosen, die momentan im ICD-11 zu finden sind, möglicherweise in Zukunft anders oder gar nicht mehr als Erkrankungen definiert sein könnten. Genauso ist es möglich und sogar wahrscheinlich, dass bestimmte Diagnosen zu anderen Zeitpunkten neu hinzukommen oder sich in der Definition grundlegend ändern. Ein wichtiger Kritikpunkt in und gegenüber der Psychotherapie ist der Begriff der psychischen „Erkrankung“. Oft sind Kritiker*Innen der Psychotherapie der Meinung, dass besonders im klinischen Kontext wahllos mit Erkrankungs-Diagnosen um sich geworfen werden würde und oftmals vermeintlich „Kranke“ eigentlich gesund seien und nur zu Zwecken der Umsatzsteigerung oder Existenzberechtigung der Psychotherapeut*Innen eine Diagnose gestellt bekommen würden. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass ich es für richtig und wichtig halte, stets und überall zu hinterfragen und zu reflektieren; besonders in einer so potenziell einflussreichen Disziplin wie der Psychotherapie. Auch gibt es immer wieder bestätigte (siehe z.B. statistisches Bundesamt oder Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen; Stichwort Fehlbehandlungen) Behandlungsfälle, in denen Diagnosen mit mehr oder weniger großem Schaden falsch vergeben wurden. Jedoch möchte ich aufgrund persönlicher Erfahrungen im Bereich der Psychotherapie betonen, dass die absolute Mehrheit der in diesem Bereich tätigen Menschen mit höchster Sorgfalt und stetigem, intensiven Bemühen arbeitet, um eben solche Fehlbehandlungen zu vermeiden. Psychotherapie als Ganzes zu verurteilen und als schädlich zu bezeichnen, halte ich mindestens für fraglich und in den meisten Fällen für absolut falsch. 

Dennoch möchte ich kurz andeuten, was angesichts des Begriffs der „Erkrankung“ zu diskutieren ist. Grundsätzlich gibt es mindestens drei Ebenen, auf denen man sich mit Krankheiten auseinandersetzen kann. Die biologische, die psychische und die soziale Ebene (vgl. Schweitzer & v. Schlippe, 2016, S. 15ff). Jede Krankheit lässt sich auf diesen drei Ebenen beschreiben, insofern als dass so gut wie jede Krankheit Aspekte hat, die objektiv messbar, erlebbar und beobachtbar sind. Inwiefern psychische „Erkrankungen“ allerdings auf diesen drei Ebenen beschreibbar sind, wird unterschiedlich gehandhabt; sozusagen je nachdem, wen man fragt. Zumindest sollte man allerdings anerkennen, dass mindestens drei Perspektiven wichtig sind, wenn man über die Charakteristik von psychischen Erkrankungen spricht: welche objektiv messbaren Aspekte es gibt, wie die Erkrankung subjektiv erlebt wird und wie sie von außen (z.B. vom sozialen Umfeld oder der Gesellschaft) betrachtet wird. Denn es gilt immer der-/diejenige als „krank“, der/die zu diesem Zeitpunkt (neben Leidensdruck) in der Gesellschaft als wesentlich von der Norm abweichend betrachtet wird (siehe WHO). Wie abhängig also die Bezeichnung „krank“ von gesellschaftlichen Aspekten ist, dürfte offensichtlich, aber auch fragwürdig sein. 

 

Diagnostik in der systemischen Therapie

Einerseits ist es wie oben bereits beschrieben, verpflichtend für Psychotherapeut*Innen, zu Beginn einer Therapie mit Klient*Innen eine Diagnose zu stellen. Das gilt auch für Psychotherapeut*Innen mit systemischem Schwerpunkt. Ebenfalls ist es vorgegeben, dass Psychotherapeut*Innen für jedes Störungsbild/jede Diagnose eine differenzierte Behandlung anwenden können. Diese beiden Punkte sind sehr wichtig, wenn es um die bürokratischen Voraussetzungen von Psychotherapie in Deutschland geht. Noch wichtiger ist, dass die Einhaltung dieser beiden Punkte wesentlich dazu beiträgt, dass Psychotherapie sich anhand wissenschaftlicher Standards qualitativ bewerten lässt. Einfach gesagt sind diese Voraussetzungen wichtig, damit die Qualität von Psychotherapie überprüfbar bleibt. 

Auf der anderen Seite widerspricht der Begriff der „psychischen Erkrankung“ teilweise der zugrundeliegenden Philosophie der systemischen Therapie. Vereinfacht gesagt wird in der systemischen Therapie nicht davon gesprochen, dass eine Person eine Diagnose oder eine psychische Erkrankung „hat“. Hier geht man stattdessen davon aus, dass sich bestimmte Verhaltens- und Erlebensweisen nur in bestimmten Kontexten (oder Systemen) ereignen. Eine Diagnose oder psychische Störung ist in der systemischen Therapie kein unabänderlicher Teil der zu behandelnden Person, sondern etwas, dass eher als Arbeitshypothese betrachtet wird; also veränderbar ist und nur unter den momentanen Bedingungen als vorhanden betrachtet wird.  Weiterhin ist es für Systemiker (u.a. Psychotherapeuten mit systemischem Schwerpunkt) üblich, nicht nur die Symptomatik des Indexpatienten („Hauptpatient*Innen) zu betrachten, sondern auch die Verhaltens- und Erlebensweisen wichtiger Bezugspersonen miteinzubeziehen (z.B. Familienangehörige). Als letzten Punkt möchte ich aufführen, dass eine Diagnose anhand der ICD-11 nicht zwingend als „Krankheit“ betrachtet werden muss, sondern eher als „Beschreibung von Verhaltensweisen, denen ab einer gewissen Dauer, Häufigkeit und Intensität ein Krankheitswert zugeschrieben wird“ (Schweitzer & v. Schlippe, 2016, S. 42). Diese Beschreibung dient vorwiegend zur Vereinfachung der Kommunikation zwischen Behandler*Innen, Klient*Innen und Angehörigen.

Mein persönlicher Umgang mit Diagnosen leitet sich aus diesen beiden (sehr grob umrissenen) Perspektiven ab. Aus professioneller Sicht lege ich viel Wert darauf, mit den aktuellen Methoden der Diagnostik zu arbeiten und alles in meine Arbeit miteinzubeziehen, was den Klient*Innen und mir wichtig erscheint. Dafür ist es wichtig, dass ich moderne und evidenzbasierte Diagnostik durchführe und meine Tätigkeit nach höchsten qualitativen und wissenschaftlichen Maßstäben ausführe. Trotzdem ist es meiner Meinung nach nicht zu überschätzen, wie gewichtig eine Diagnose für die Wirkung von Psychotherapie sein kann. So kann beispielsweise eine Diagnose, die endlich eine Erklärung für einen langen Leidensweg bietet, als Erlösung und riesige Erleichterung wahrgenommen werden. Aber es ist andererseits auch möglich, dass eine Diagnose als vorgefertigte (modellhafte) Erklärung Klient*Innen in ihrer Selbstwahrnehmung einengt und auf ein Störungsbild reduziert, was wiederrum die Heilungschancen negativ beeinflussen kann. Es ist in meinen Augen daher wesentlich, auch die beste Diagnostik immer unter individuellen Gegebenheiten mit Klient*Innen einzusetzen und je nach Bedarf unterschiedliche Vorgehensweisen daraus abzuleiten. 

 

Schweitzer, J. & von Schlippe, A. (2016). Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung 2. Das störungsspezifische Wissen. Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG. Göttingen. DOI: 10.1007/978-3-525-40274-0

Berufsbezeichnungen

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Berufsbezeichnungen der Psychologie

Es gibt in Deutschland einige Berufe, deren Bezeichnung rechtlich geschützt sind. Damit ist beispielsweise gemeint, dass man sich nicht einfach so „Psychotherapeut“ nennen darf. Um Ihnen eine Orientierung und auch eine Vorstellung davon zu verschaffen, hinter welcher Berufsbezeichnung welche Qualifikation normalerweise steckt, hier eine kleine Übersicht:

 

Psychologischer Berater/Coach/Trainer:

Diese Berufsbezeichnung ist nicht geschützt. Das bedeutet, dass sich Menschen ohne weiteres als psychologische Berater/Coach/Trainer bezeichnen dürfen. Hier ist gesetzlich nur festgelegt, dass mit dieser Berufsbezeichnung keine Psychotherapie durchgeführt werden darf und auch sonstige Heilbehandlungen verboten sind (keine Diagnosestellung und Heilung von psych. Erkrankungen erlaubt!).

Psychologe: Hier ist ein Studium an einer Universität oder Hochschule im Umfang von mindestens 210 ECTS (Creditpoints) notwendig, welches mit einer wissenschaftlichen Abschlussarbeit absolviert wurde. Obwohl nicht exakt geregelt ist, ob das mit einem Bachelor oder Master möglich ist, gibt es einige juristische Entscheidungen (Präzedenzfälle), die die Berufsbezeichnung „Psychologe“ mit einem Bachelor of Science als unzulässig eingestuft haben. Ein Psychologe ist für gewöhnlich jemand, der mindestens 5 Jahre an einer Hochschule oder Universität das Studienfach Psychologie studiert und mit einem Master of Science abgeschlossen hat. Welche Kenntnisse sich der- oder diejenige währenddessen angeeignet hat, ist nicht eindeutig. Psychotherapie jedoch dürfen Psychologen nicht ohne weitere Qualifikationen durchführen.

Psychotherapie nach dem Heilpraktiker-Gesetz:

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie man diese Berufsbezeichnung erwerben kann. Es gibt Studiengängen und Weiterbildungen, die den Weg hier hin ebnen. Am Ende steht jedoch stets ein Antrag auf Zulassung zur Ausübung von Psychotherapie nach dem Heilpraktiker-Gesetz beim Staat. Je nach Zugangsweg wird dann mehr oder weniger umfassend geprüft, welche Kenntnisse Antragstellende besitzen und ob diese die Fähigkeit zur Ausübung dieses Berufs besitzen. Nach der Zulassung darf die Berufsbezeichnung „Heilpraktiker beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie“ geführt werden. Jedoch darf man sich nicht „Psychotherapeut“ nennen. Auch ist die Bezahlung der Psychotherapie durch die gesetzlichen Krankenkassen normalerweise nicht möglich. Als Heilpraktiker für Psychotherapie sind zumindest Grundkenntnisse in klinischer Psychologie und Psychotherapie notwendig.

(Psychologischer) Psychotherapeut:

Um die Bezeichnung „Psychotherapeut“ führen zu dürfen, gibt es zwei Wege. Der erste Weg war bis 2018, dass man 5 Jahre Psychologie studiert und danach eine mindestens 3-jährige Ausbildung zum Psychotherapeuten mit einer staatlichen Abschlussprüfung abschließt. Auf diesem Weg durfte man ab der Abschlussprüfung die Berufsbezeichnung führen und Patienten behandeln. Seit 2018 studiert man 5 Jahre Psychologie, wobei man hier mit einem Master in Psychotherapie anhand einer Approbationsprüfung abschließt. Man darf ab dem Master Patienten behandeln, muss aber eine mindestens 5-jährige staatliche Weiterbildung absolvieren, bevor man mit gesetzlichen Krankenkassen abrechnen darf. Die Berufsbezeichnung für den ersten Weg lautet „Psychologischer Psychotherapeut“; die neue Berufsbezeichnung ist einfach „Psychotherapeut“. Psychotherapeuten dürfen uneingeschränkt Psychotherapie anbieten und durchführen, wobei es gesetzliche Regelungen und Bedingungen gibt, an die sie sich halten müssen. (Psychologische) Psychotherapeuten dürfen keine Medikamente/ keine Psychopharmaka verschreiben.

Ärztlicher Psychotherapeut/Psychiater/Facharzt für Psychiatrie etc.:

Eine weitere Möglichkeit, Psychotherapie durchführen zu können, ist der Weg über ein Studium der Humanmedizin. Hier wird ein Studium der Humanmedizin bis zum dritten Staatsexamen durchgeführt und anschließend eine Weiterbildung zum Facharzt für Psychiatrie & Psychiatrie (oder ein ähnlicher Facharzt mit der Spezialisierung auf klinische Psychologie und Psychotherapie) durchgeführt. Es gibt unterschiedliche Berufsbezeichnung, die jedoch immer entweder „ärztliche“ oder „Facharzt“ enthalten. Entsprechend ausgebildete Fachärzte dürfen Psychopharmaka verschreiben.

 

Für alle oben genannten Berufe ist es jedoch immer wichtig, sich Zusatzqualifikationen anzusehen und einen Eindruck davon zu verschaffen, womit die entsprechende Person sich tatsächlich auskennt. Es gibt verschiedene „Schulen“ der Psychotherapie wie Psychoanalyse oder Verhaltenstherapie, aber auch einzelne Verfahren, die teilweise sehr spezifisch sind und auch nur für den gedachten Zweck/die spezifische psychische Störung angewendet werden sollte. Für eine Übersicht über die verschiedenen Varianten von Psychotherapie siehe unter der Rubrik „Richtlinienverfahren“ oder z.B. auf der sehr informativen Website www.therapie.de

 

 

 

Richtlinienverfahren

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Verfahren der Psychotherapie 

Die vier Richtlinienverfahren in Deutschland, die von den Krankenkassen bezahlt werden, sind psychoanalytische Psychotherapie, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Verhaltenstherapie und systemische Therapie. Diese vier Verfahren unterscheiden sich sowohl in Hinsicht auf das dahinterliegende theoretische Fundament (sozusagen eine andere Philosophie) als auch was die Durchführung und die Wirksamkeit angeht. 

Wichtig für Klient*Innen ist, dass nicht für jede/n alles gleich gut hilft. Die Faktoren, die entscheiden, ob und wie gut eine Psychotherapie hilft, sind meist in der Zusammenarbeit zwischen Therapeut*Innen und Klient*Innen zu finden. Die Rahmenbedingungen und typischen Merkmale eines Verfahrens können allerdings auch Einfluss nehmen. Hier finden Sie eine Skizze der groben Unterschiede die jeweiligen Verfahren. 

Psychoanalyse (PA) 

Typisch ist hier beispielsweise das Liegen auf der Couch, während Therapeut*Innen hinter einem sitzen und mehr oder weniger viel schweigen. Hier steht im Fokus, frei zu assoziieren und alles zu äußern, was einem in den Sinn kommt. Die relevanteste Technik in der PA ist die „Deutung“ von Äußerungen und Zusammenhängen. Psychoanalyse zielt teilweise auf eine grundlegende Veränderung in der Persönlichkeit ab. Frühkindliche Erfahrungen und Unbewusstes soll hier zu Tage gefördert und thematisiert werden. Sitzungen finden meist über mehrere Jahre mehrmals die Woche statt. 

Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (TP) 

Die TP wurde ursprünglich aus der PA entwickelt und beschäftigt sich mit Bindungserfahrungen aus der frühen Kindheit bis heute, wobei eher mit aktuellen Themen und deren Bezug zur Vergangenheit gearbeitet wird. Zentral ist die Änderung der emotionalen Aspekte von Beziehungen. Therapeut*Innen arbeiten hier häufig mit Konstrukten wie Widerstand, Abwehrmechanismus oder Übertragung. Sitzungen finden meist zwischen 1–2-mal pro Woche über 1-2 Jahre statt. 

Verhaltenstherapie (VT) 

Die Verhaltenstherapie stellt Lernerfahrungen in den Vordergrund und versucht, die „schädlichen“ Lernerfahrungen neu zu erlernen bzw. umzulernen. Negative Schemata stehen ebenso im Fokus wie Gefühle in bestimmten Situationen. Es wird oft mit Flipcharts oder Tabellen gearbeitet, in denen Gefühle und Gedanken strukturiert aufgearbeitet werden. Ziel ist hier, negative Denkmuster zu ändern. Sitzungen finden für gewöhnlich einmal pro Woche über 0,5-2 Jahre statt. 

Systemische Therapie (ST) 

Die systemische Therapie stellt die Kommunikation in den Vordergrund und arbeitet mit Angehörigen und sozialen Kontexten. Systemische Therapeuten sind darum bemüht, sich auf die Wirklichkeit der Klient*Innen einzulassen und arbeiten weniger direktiv. Systemische Therapie ist wissenschaftlich fundiert und seit Jahrzenten Bestandteil klinischer Forschung. Der Ansatz der systemischen Therapie fokussiert Beziehungen, Interaktionsmuster und Kommunikation und ist weniger Defizit-orientiert als die anderen Verfahren. 

 

Online-Angebote

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Online-Sitzungen 

Grundsätzlich ist es möglich, Sitzungen online durchzuführen. In manchen Fällen, wie z.B., wenn Sie akut Unterstützung benötigen und Fahrtweg und -zeit nicht erübrigen wollen oder können, kann eine Online-Sitzung geeignet sein. Grundsätzlich ziehe ich jedoch persönliche Sitzungen vor. Das hat im Wesentlichen zwei Gründe. Erstens ist eine Online-Sitzung aus Datenschutzgründen technisch und finanziell aufwendig. Zweitens geht im Online-Setting ein Teil der kommunikativen Information verloren. Menschen kommunizieren je nach Situation unterschiedlich; es macht also einen Unterschied, ob man sich persönlich oder nur über Video-Telefonie gegenübersitzt. Da es in den meisten Fällen von Therapie darum geht, Kontexte aus dem alltäglichen Leben zu bearbeiten (wo man körperlich anwesend ist), ist es sinnvoller, die Therapiesituation möglichst kongruent zu gestalten. Für Online-Interventionen gibt es zwar Wirksamkeitsnachweise, jedoch sind diese geringer zu schätzen als sog. „Face-to-Face“-Sitzungen. 

Apps 

Mittlerweile wurden einige Applikationen (Apps) entworfen, die entweder eine wirksame Ergänzung zu Psychotherapie darstellen oder gute Möglichkeiten bieten, Wartezeiten auf einen Therapieplatz zu überbrücken. Bitte informieren Sie sich bei Ihrer Krankenkasse, welche Apps zur eigenverantwortlichen Verwendung für Sie zur Verfügung stehen und passend sind. Einige Beispiele sind: Deprexis24, Depressionscoach, Selfapy, Mind-doc, IamSober, IfightDepression, Moodpath, Moodgym und Cogito. 

Bitte beachten Sie für die Verwendung die folgende Checkliste für Internetpsychotherapie der Bundespsychotherapeutenkammer: 

https://www.bptk.de/wp-content/uploads/2019/01/20170629_patienten-checkliste.pdf